Die Träger
des Namens Buß sind erst durch die Einheirat des am 18.November
1850 in Ohlsbach geborenen AndreaBuß nach Ortenberg gekommen.
Dieser Andreas Buß, der im Verband des Grenadierregi- mentes 109
den Krieg von 1870/71 mitgemacht hatte, war danach in Ortenberg
dem Militärverein beigetreten und hatte bis zu seinem Tode im
Dezember 1933 an dessen Aktivitäten durchaus eifrig teil-
genommen, sich also unauffällig ins dörfliche Vereinsleben
eingefügt, obwohl er zeitlebens zu den ärmeren, nicht durch
reicheren Grundbesitz ausgewiesenen Neubürgern gerechnet worden
war. Sein Sohn Julius dagegen machte schon früh von sich reden.
Er war Neuem aufgeschlossen, tat sich als begeisterter, ja
waghalsiger Radfahrer hervor und war maßgeblich an der Gründung
des Ortenberger Radsportvereins „Sturmvogel“ und später des
Fußballvereins beteiligt. Auf politischem Gebiet wandte er sich
dem sozialistischen Gedankengut zu. Im Ersten Weltkrieg
zeichnete er sich als tapferer Soldat aus, wurde dekoriert und
befördert, aber auch schwer verwundet, so dass ihm eine
Kopfverletzung zeitlebens zu schaffen machte und er sich zum
entschiedenen Antimilitaristen entwickelte. Nachhaltig prägte
ihn die politische Entwicklung der Arbeiter- und
Soldatenratszeit nach dem verlorenen Krieg. Fortan fühlte er
sich berufen, als Gewerkschaftler und Sozialist die Interessen
der Arbeiter, der Kriegsversehrten und Hinterbliebenen,
überhaupt der sozial Schwachen kämpferisch zu vertreten. Dabei
geriet er rasch in Gegensatz zu der traditionell konservativen
Mehrheit der noch überwiegend in bäuerlichen Vorstellungen
verharrenden Ortenberger und auch des national denkenden
Mittelstandes wie etwa des ebenfalls der Weltkriegsgeneration
angehörenden Küfermeisters Franz Glattfelder, den die
Ortenberger 1928 zu ihrem Bürgermeister wählten. Der politische
Gegensatz entwickelte sich schon in den 20er Jahren zu
persönlichen Beleidigungsklagen und Anfeindungen, die Julius Buß
bis zum Nervenzusammenbruch trieben. Trotzdem konnte er auch
Erfolge verbuchen wie 1926 die Durchsetzung einer Gedenkstätte
für die Weltkriegstoten ohne jegliche militaristische Symbolik
auf dem Bühlwegfriedhof, die im wesentlichen sein Werk war. |
Zur offiziellen politischen Entwicklung geriet Julius Buß in
immer entschiedenere Opposition, zumal sein Intimfeind, der 1928 zum
Bürgermeister gewählte Küfermeister Franz Glattfelder die Ereignisse von
1933 als „nationale Erneuerung“ offen begrüßte, die „Gleichschaltung“
mitmachte und sogar zum Zellenleiter der NSDAP bestellt wurde. Julius
Buß, der inzwischen sich ein Eigenheim erstellt hatte und einen
prächtigen Rosengarten an- legte, zog sich offiziell auf die Rolle eines
hirnverletzten Schwerkriegsbeschädigten zurück, betrieb aber im geheimen
seine Propagandaarbeit bei den wenigen noch zu ihm haltenden Vertrauten
umso eifriger, immer auf der Hut und halb auf der Flucht vor dem
befürchteten Zugriff der Gestapo. Trotzdem wurde er mehrfach verhaftet -
einmal weil er angeblich noch ein Weltkriegsbajonett besessen hatte –
und für kürzere Zeit ins KZ eingeliefert. Da Buß aber nichts
Schwerwiegendes nachgewiesen werden konnte und er sich vorsichtig
abschirmte, konnte er das Kriegsende heil erreichen. Als er sich am
Vorabend des französischen Einmarsches mutig durch die Felder zu der an
der Hohlen Gasse stehenden französischen Panzerspitze durchschlug, war
für ihn die Stunde der “Befreiung“ gekommen. Von den Franzosen
kommissarisch zum Bürgermeister von Ortenberg eingesetzt, versuchte
Julius Buß 1945/46 eine demokratische Verwaltung aufzubauen und seine
eigenen politischen Vorstellungen zu verwirklichen. Er geriet aber bald
in den Gegensatz zwischen den Forderungen der Besatzungsmacht und den
Interessen der Bevölkerung. Es gelang ihm nicht, die
Bevölkerungsmehrheit auf seine Seite zu bringen, während die
konservative Opposition sich gegen ihn sammelte. Es kam zum Bruch der
Zusammenarbeit mit der Besatzungsmacht und damit zur Absetzung von Buß
als kommissarischer Bürgermeister. Abgelehnt von der öffentlichen
Mehrheit, zog sich Buß verbittert ins Privatleben zurück. Im Grunde
fühlte er sich unverstanden, war er doch praktisch der einzige gewesen,
der das kommende Unheil nicht nur frühzeitig erkannt, sondern den
konsequenten Kampf dagegen gewagt hatte. |
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