Bilder - Geschichte(n)  
Liebe Besucherin, Lieber Besucher unserers Internetauftritts!

Auf diesen Seiten wollen wir Ihnen im Laufe der Zeit einen kleinen Einblick über die Ortenberger Geschichte geben.Geschichten erzählen und dazu einige Bilder veröffentlichen. Wir wünschen viel Spaß beim Lesen und die Steigerung der Erkenntnisse über unser Dorf und seine wundervolle Lage in einer herrlichen Landschaft.
   

Julius Buß

 

Sozialist, NS-Verfolgter und kommissarischer Bürgermeister 1945/46

 

 

Text von  Franz X. Vollmer, veröffentlicht im Ortenberger Amtsblatt 2005, KW50
   
Die Träger des Namens Buß sind erst durch die Einheirat des am 18.November 1850 in Ohlsbach geborenen AndreaBuß nach Ortenberg gekommen. Dieser Andreas Buß, der im Verband des Grenadierregi- mentes 109 den Krieg von 1870/71 mitgemacht hatte, war danach in Ortenberg dem Militärverein beigetreten und hatte bis zu seinem Tode im Dezember 1933 an dessen Aktivitäten durchaus eifrig teil- genommen, sich also unauffällig ins dörfliche Vereinsleben eingefügt, obwohl er zeitlebens zu den ärmeren, nicht durch reicheren Grundbesitz ausgewiesenen Neubürgern gerechnet worden war. Sein Sohn Julius dagegen machte schon früh von sich reden. Er war Neuem aufgeschlossen, tat sich als begeisterter, ja waghalsiger Radfahrer hervor und war maßgeblich an der Gründung des Ortenberger Radsportvereins „Sturmvogel“ und später des Fußballvereins beteiligt. Auf politischem Gebiet wandte er sich dem sozialistischen Gedankengut zu. Im Ersten Weltkrieg zeichnete er sich als tapferer Soldat aus, wurde dekoriert und befördert, aber auch schwer verwundet, so dass ihm eine Kopfverletzung zeitlebens zu schaffen machte und er sich zum entschiedenen Antimilitaristen entwickelte. Nachhaltig prägte ihn die politische Entwicklung der Arbeiter- und Soldatenratszeit nach dem verlorenen Krieg. Fortan fühlte er sich berufen, als Gewerkschaftler und Sozialist die Interessen der Arbeiter, der Kriegsversehrten und Hinterbliebenen, überhaupt der sozial Schwachen kämpferisch zu vertreten. Dabei geriet er rasch in Gegensatz zu der traditionell konservativen Mehrheit der noch überwiegend in bäuerlichen Vorstellungen verharrenden Ortenberger und auch des national denkenden Mittelstandes wie etwa des ebenfalls der Weltkriegsgeneration angehörenden Küfermeisters Franz Glattfelder, den die Ortenberger 1928 zu ihrem Bürgermeister wählten. Der politische Gegensatz entwickelte sich schon in den 20er Jahren zu persönlichen Beleidigungsklagen und Anfeindungen, die Julius Buß bis zum Nervenzusammenbruch trieben. Trotzdem konnte er auch Erfolge verbuchen wie 1926 die Durchsetzung einer Gedenkstätte für die Weltkriegstoten ohne jegliche militaristische Symbolik auf dem Bühlwegfriedhof, die im wesentlichen sein Werk war.
  Zur offiziellen politischen Entwicklung geriet Julius Buß in immer entschiedenere Opposition, zumal sein Intimfeind, der 1928 zum Bürgermeister gewählte Küfermeister Franz Glattfelder die Ereignisse von 1933 als „nationale Erneuerung“ offen begrüßte, die „Gleichschaltung“ mitmachte und sogar zum Zellenleiter der NSDAP bestellt wurde. Julius Buß, der inzwischen sich ein Eigenheim erstellt hatte und einen prächtigen Rosengarten an- legte, zog sich offiziell auf die Rolle eines hirnverletzten Schwerkriegsbeschädigten zurück, betrieb aber im geheimen seine Propagandaarbeit bei den wenigen noch zu ihm haltenden Vertrauten umso eifriger, immer auf der Hut und halb auf der Flucht vor dem befürchteten Zugriff der Gestapo. Trotzdem wurde er mehrfach verhaftet - einmal weil er angeblich noch ein Weltkriegsbajonett besessen hatte – und für kürzere Zeit ins KZ eingeliefert. Da Buß aber nichts Schwerwiegendes nachgewiesen werden konnte und er sich vorsichtig abschirmte, konnte er das Kriegsende heil erreichen. Als er sich am Vorabend des französischen Einmarsches mutig durch die Felder zu der an der Hohlen Gasse stehenden französischen Panzerspitze durchschlug, war für ihn die Stunde der “Befreiung“ gekommen. Von den Franzosen kommissarisch zum Bürgermeister von Ortenberg eingesetzt, versuchte Julius Buß 1945/46 eine demokratische Verwaltung aufzubauen und seine eigenen politischen Vorstellungen zu verwirklichen. Er geriet aber bald in den Gegensatz zwischen den Forderungen der Besatzungsmacht und den Interessen der Bevölkerung. Es gelang ihm nicht, die Bevölkerungsmehrheit auf seine Seite zu bringen, während die konservative Opposition sich gegen ihn sammelte. Es kam zum Bruch der Zusammenarbeit mit der Besatzungsmacht und damit zur Absetzung von Buß als kommissarischer Bürgermeister. Abgelehnt von der öffentlichen Mehrheit, zog sich Buß verbittert ins Privatleben zurück. Im Grunde fühlte er sich unverstanden, war er doch praktisch der einzige gewesen, der das kommende Unheil nicht nur frühzeitig erkannt, sondern den konsequenten Kampf dagegen gewagt hatte.
Ein ausführlicherer Text zum ersten Nachkriegsbürgermeister in: Franz X. Vollmer, Ortenberg, Schritte zurück in die Vergangenheit eines Ortenaudorfes, 1986, Selbstverlag der Gemeinde Ortenberg (Baden), S. 45 ff